Nachtruhe unterschätzter Gesundheitsbaustein: Schlafexperte gibt Tipps für das richtige Liegen

Möglichst wenig Umdrehungen

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Wer bei 30 bis 40 Umdrehungen an alkoholische Getränke denkt, liegt in diesem Fall falsch. Dabei handelt es sich vielmehr um die Zahl der Positionswechsel, die Menschen, Studien zufolge, in einer unruhigen Nacht durchschnittlich durchleben. Von gesundem Schlaf kann dabei keine Rede mehr sein, wie Stefan Schmidt erklärt. Der Sportwissenschaftler weiß, worauf es bei einer erholsamen Nachtruhe ankommt. Und dabei spielen vor allem der ausgelöste Druck und die richtige Schlaf­unterlage eine entscheidende Rolle.

„Schlaf ist ein unterschätzter Gesundheitsbaustein“, sagt Schmidt. Wer sich morgens wie gerädert fühlt, mit Rückenschmerzen und Stress zu kämpfen hat, dem rät der Schlaf­experte, einmal zu prüfen, ob das Problem vielleicht im Schlafzimmer liegt. Das richtige Bett spielt nämlich eine wichtige Rolle. Die Nachtruhe ist entscheidend für die Regeneration des Körpers. Aber jeder Körper ist anders und brauche daher auch eine andere Form der Unterstützung beim Liegen. Dabei sind nicht nur die Größe und das ­Gewicht entscheidende Faktoren, sagt Schmidt. Auch eine Krümmung der Wirbelsäule oder ein Beckentiefstand hätten einen Einfluss auf die so­genannte Einsinktiefe und damit auf die individuelle richtige Schlaf­unterlage.

Das Bett ist der Ort, an dem man die meiste Zeit verbringt und somit auch der wichtigste Einrichtungsgegenstand im Schlafzimmer. „Es gibt keinen Haushaltsgegenstand, der mehr genutzt wird als die Matratze“, gibt der Schlafexperte zu bedenken. Häufig werde in diesem Bereich aber leider auch am meisten gespart. Auf das Bettgestell kommt es laut Schmidt dabei in erster Linie gar nicht an, sondern auf das Liegesystem. Das Ziel sei es, möglichst druckfrei, ohne häufige Drehung und muskulär entspannt zu liegen.

„Es gibt drei Parameter, um die es im wesentlichen geht: Matratze, Unterfederung und Kissen“, betont Schmidt. Generell sollte das Liegesystem sowohl auf den eigenen Körper als auch auf das Zusammenspiel aller Elemente abgestimmt sein. Werbeversprechen für Matratzen, die bei allen Menschen gleichermaßen für einen erholsamen Schlaf sorgen, sollten Schmidt zufolge mit Vorsicht genossen werden. Der Sportwissenschaftler vergleicht das mit Schuhen. Auch beim Schuhwerk passe nicht jeder Schuh für jeden Fuß, auch wenn es sich um die gleiche Schuhgröße handelt. Ähnliches gelte auch für die Matratze. Daher rät Schmidt in diesem Bereich auch von einem Onlinekauf ab. Es sei wichtig, sich von einem Fachmann beraten zu lassen. Für ein hochwertiges Liegesystem würde im Fachhandel oftmals auch eine Vermessung vorgenommen, um die individuell richtige Matratze mit passendem Lattenrost und Kissen zu finden.

Druckentlastung ist dabei das Stichwort. Denn nur wenn der Körper nicht damit beschäftigt sei, die beste, also druckärmste Position zu finden, könnten die für die Entspannung wichtigen Prozesse ablaufen. Das gelte für Seitenschläfer genauso wie für diejenigen, die am liebsten auf dem Rücken liegen. Wenn im Schulterbereich oder auch Becken ständig Druck herrsche, erzeuge das muskuläre Verspannungen, schlimmstenfalls sogar Schmerzzustände. Das Ergebnis: Man wechsele ständig die Position und wälze sich auf der Suche nach dem bequemsten Liegeplatz hin und her. „Bei ungünstig belasteter Schlaflage kommt man unregel­mäßig oder gar nicht in den Tiefschlaf und diese Phase ist für die Regeneration extrem wichtig“. In dieser Zeit werden nicht nur die Muskeln entspannt, auch der Stressabbau, das Ver­festigen von Erlerntem, das Verschieben der Dinge aus dem Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis und sogar das Aufarbeiten extrem belastender Erlebnisse – all das passiere in der Tiefschlafphase. Fehle diese, habe das Auswirkungen auf den gesamten Körper. Verspannungen und Schmerzen könnten die Folge sein. Aber auch die Psyche leiden, weil die Stressbewältigung nicht funktioniere.

„Zwei bis drei Tiefschlafphasen sollte man in der Nacht durchlaufen“, erklärt Schmidt. Dabei unterscheidet der Schlafexperte zwischen unterschiedlichen Phasen, die man während eines Schlafzyklus durchläuft. Den Anfang bilde eine sogenannte Einschlaf- und Leichtschlafphase. Darauf folgt der Tiefschlaf und schließlich eine Traumphase, das sogenannte „Rapid Eye Movement“ (REM), also schnelle Augenbewegungen, die in der REM-Phase stattfinden. „Insgesamt sollte man in der Nacht auf zwei bis drei Stunden Tiefschlaf kommen“, sagt der Experte.
„Bei ungünstig belasteter Schlaflage kommt man unregelmäßig oder gar nicht in den Tiefschlaf und diese Phase ist für die Regeneration extrem wichtig“.

Stefan Schmidt Sportwissenschaftler und Schlafexperte
Einmal in das richtige System investiert, habe man im Durchschnitt zehn bis fünfzehn Jahre Ruhe. Dann sollte das Schlafsystem aus Verschleiß und hygienischen Gründen kontrolliert und gegebenenfalls getauscht werden. „Schlafsysteme sind Verschleißteile“. Der Fachmann vergleicht das mit einem Auto­reifen. Auch wenn man die teuersten Autoreifen kaufe und immer vorsichtig fährt, kann man Verschleiß nicht verhindern. Gute Reifen halten länger, schlechte müssen eben schneller getauscht werden. Für die Hygiene und Lebensdauer spielen auch Faktoren wie die Belüftung eine Rolle, die oftmals bei ­Taschensystemen besser funktionieren als bei Schaumstoffmatratzen. Zudem sollte auf die Thermodynamik geachtet werden. Im Schlaf schwitze man nämlich auch ordentlich. Daher sei es wichtig, eine Matratze zu haben, bei der man im Sommer kühl und im Winter angenehm warm liege. Im besten Fall ist diese auch für Allergiker geeignet, also milbenabweisend. Und auch das Kopfkissen müsse an die Einsinktiefe des Körpers angepasst werden, sonst hat man schnell einen weiteren Druckbereich geschaffen.

Besonders Menschen, die wenig Sport treiben, im Beruf viel sitzen oder einseitiger Belastung ausgesetzt sind, spüren das schnell mal im Rücken. Statistisch gesehen sind Schmidt zufolge in Zentraleuropa 85 bis 90 Prozent der Bevölkerung im Laufe des ­Lebens von Rückenschmerzen geplagt. Bei einem Großteil der Betroffenen, circa 85 Prozent, liege keine Diagnose vor. „Die meisten klagen über unspezifische Schmerzen und bringen das gar nicht mit einem falschen Liegesystem oder fehlender Bewegung in Verbindung“. Und auch erschreckend: Bei rund 30 Prozent der Betroffenen handele es sich um chronische Schmerzen, mit denen sie täglich zu kämpfen hätten. Umso wichtiger sei es, auch präventiv tätig zu werden. Das beinhalte regelmäßige Bewegung und gesunden, erholsamen Schlaf. Text: Tina Bonfert